Rote Ruhrarmee

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Angehörige der Roten Ruhrarmee in Dortmund (1920)

Die Rote Ruhrarmee führte im Ruhrgebiet im März 1920 zur Abwehr des völkisch-nationalistischen Kapp-Putsches und zur Durchsetzung revolutionärer Forderungen einen bewaffneten Kampf gegen die reaktionären und republikfeindlichen Freikorps und andere Reichswehrtruppen, der auch als Aufstand an der Ruhr bezeichnet wird.

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Zeitgleich mit dem Kapp-Putsch fand am 14. März 1920 in Elberfeld ein Treffen von Vertretern von USPD, KPD und SPD statt, bei dem die regionalen Arbeiterparteien sich gegen die rechtsextremen Putschisten verbündeten. Ihre Vertreter unterzeichneten einen gemeinsamen Aufruf zur Übernahme der politischen Macht in der Region. Der Generalstreik wurde ausgerufen, in den größeren Orten des Ruhrgebiets übernahmen spontan gebildete lokale Vollzugsräte die politische Gewalt, die Arbeiterschaft bewaffnete sich und stellte Kampfverbände auf.[1]

Diese sich bildende „Rote Ruhrarmee“ zählte mehr als 50.000 Bewaffnete, zu einem großen Teil vom Ersten Weltkrieg her fronterfahrene Arbeiter. Eine Mehrheit gehörte den von der SPD dominierten Freien Gewerkschaften, eine starke Minderheit der syndikalistischen Gewerkschaft Freie Arbeiter-Union Deutschlands (FAUD) an. Insoweit Mitglieder von Parteien unter den Milizionären waren, lag die USPD mit knapp 60 Prozent weit vor der KPD mit etwa 30 Prozent sowie der SPD mit 10 Prozent. Eine zentrale Leitung fehlte, nachdem der „Zentralrat“ in Essen ebenso wenig wie eine moderatere Hagener „Zentrale“ durchsetzungsfähig gegenüber den lokalen und regionalen Führungen mit ihren unterschiedlichen politischen Dispositionen war.

Während mit der Rechtsregierung unter Gustav von Kahr eine bayerische Variante eines Staatsstreichs von der Reichsregierung akzeptiert wurde, entschied die Reichsregierung (Kabinett Bauer) zusammen mit der preußischen Regierung (Kabinett Hirsch), beide SPD-geführt, den „Aufstand“ im Ruhrgebiet durch die Reichswehr militärisch niederschlagen zu lassen.

Ein „Bielefelder Abkommen“ zwischen Reichsregierung und preußischer Regierung einerseits und beteiligten Gewerkschaften und Parteien andererseits, mit dem zunächst ein Waffenstillstand angestrebt wurde, sah eine Amnestie, die Aufstellung republikanischer Ortswehren und die Abgabe der Waffen der Einheiten der Roten Ruhrarmee vor. Örtliche und regionale Leitungen vor allem mit USPD-Dominanz stimmten dem zu, KPD-geführte wie der Essener Zentralrat verlangten die Fortsetzung der Verhandlungen, wieder andere lehnten einen Waffenstillstand grundsätzlich ab. Auf Essener Initiative kam es wie beim Kapp-Lüttwitz-Putsch zu einem Generalstreik, an dem sich 330.000 Ruhrarbeiter beteiligten, drei Viertel der Ruhr-Belegschaften.

Dem folgten ein Ultimatum der preußischen und der Reichsregierung, ohne Absprache mit ihnen noch verschärft von dem Reichswehrvertreter Generalleutnant Oskar von Watter durch unter anderen eine nicht realisierbare Terminsetzung, danach weitere Verhandlungen und schließlich der Einsatz der Regierungstruppen seit dem 2. April 1920 gegen die sich inzwischen bereits auflösenden Arbeitereinheiten. Die Reichswehrverbände bestanden zu diesem Zeitpunkt weitgehend aus republikfeindlichen Freikorpseinheiten, die kurz zuvor an der Seite der Kapp-Lüttwitz-Putschisten gegen die Reichsregierung gestanden hatten. Nicht Schwarz-Rot-Gold, wie von Regierungsvertretern gefordert, war ihre Farbe, sondern demonstrativ Schwarz-Weiß-Rot, die Trikolore der rechten Republik- und Verfassungsgegner.

Die anschließende Besetzung des Ruhrgebiets durch Freikorps wie der Marine-Brigade von Loewenfeld und dem Freikorps Lichtschlag und andere bewaffnete Einheiten der Regierung „war von Gewalttaten und Grausamkeiten begleitet, die den ‚roten Terror‘ in den Schatten stellten.“ Bei Pelkum erschossen Angehörige der Brigade Epp bewaffnete Arbeiter, die in dem vorausgegangenen Gefecht verwundet worden waren. Zahllose Milizionäre wurden „auf der Flucht erschossen“.

Die Gesamtzahl der Toten, die die Ruhrarbeiter zu beklagen hatten, ist niemals genau ermittelt worden. Sie lag mit Sicherheit weit über 1000. Die meisten von ihnen wurden erst nach ihrer Gefangennahme getötet. Die Regierungstruppen zählten 208 Tote und 112 Vermisste, die Sicherheitspolizei 41.[2]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Erich Knauf: Ça ira! Reportage-Roman aus dem Kapp-Putsch. Büchergilde Gutenberg, Berlin 1930.
  • Hans Marchwitza: Sturm auf Essen. Internationaler Arbeiterverlag, Berlin 1930.
  • Hans Spethmann: Die Rote Armee an Ruhr und Rhein. Aus den Kapptagen. Reimar Hobbing, Berlin 1930.
  • Otto Hennicke: Die Rote Ruhrarmee. Verlag des Ministeriums für Nationale Verteidigung (Reihe: Gewehre in Arbeiterhand), Berlin 1956.
  • Erhard Lucas: Märzrevolution 1920. 3 Bände. Verlag Roter Stern, Frankfurt am Main 1973–1978, ISBN 3-878770-75-8, ISBN 3-878770-64-2, ISBN 3-878770-85-5.
  • George Eliasberg: Der Ruhrkrieg von 1920. Verlag Neue Gesellschaft, Bonn/Bad Godesberg 1974 (= Schriftenreihe des Forschungsinstituts der Friedrich-Ebert-Stiftung). ISBN 3-87831-148-6.
  • Diethart Kerbs (Hg.): Die Rote Ruhrarmee. März 1920. Nishen, Verlag in Kreuzberg, Berlin 1985, (= Edition Photothek, Bd. 11), ISBN 3-88940-211-9.
  • Erhard Lucas, Ludger Fittkau, Angelika Schlüter: Ruhrkampf 1920: Die vergessene Revolution. Ein politischer Reiseführer. Klartext Verlag, Essen 1990, ISBN 3-88474-347-3.
  • Heinrich August Winkler: Weimar 1918–1933. Die Geschichte der ersten deutschen Demokratie. C.H. Beck, München 1993, ISBN 3-406-37646-0, S. 109–142.
  • Karl Grünberg: Brennende Ruhr. Roman aus der Zeit des Kapp-Putsches. Verlag Neues Leben, Berlin 1997, ISBN 3-931999-03-3.
  • Rainer Pöppinghege: Republik im Bürgerkrieg. Kapp-Putsch und Gegenbewegung an Ruhr und Lippe 1919/20. Ardey-Verlag, Münster 2019 (= Regionalgeschichte kompakt, Bd. 2). ISBN 978-3-87023-443-0.
  • Klaus Gietinger: Kapp-Putsch. 1920 – Abwehrkämpfe – Rote-Ruhrarmee. Schmetterling, Stuttgart 2020, ISBN 3-89657-177-X.
  • Wilfried Reininghaus (Bearb.): Der Arbeiteraufstand im Ruhrgebiet 1920. Quellenkritik und Edition der zeitgenössischen Darstellungen von Carl Brenner, Josef Ernst, Arthur Zickler, Gerhard Colm, Willi Cuno und Siegfried Schulz; Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Westfalen, Neue Folge 53, Aschendorff Verlag, Münster 2020.
  • Ralph Eberhard Brachthäuser: Roter Terror. Gladbeck in der Märzkrise 1920. Zugleich ein Beitrag über die Entwicklung öffentlicher Sicherheitsstrukturen im nördlichen Ruhrgebiet, Verlag Mainz, Aachen 2020, 376 S., ISBN 978-3-8107-0338-5.
  • Ralf Stremmel: Die Rote Ruhr-Armee in Essen. Neue Aspekte eines Bürgerkrieges. Aschendorff, Münster 2020, ISBN 978-3-402-24662-7.

Film[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Die Rote Ruhrarmee im Ruhrkrieg 1920. Gelsenzentrum, Verein für regionale Kultur- und Zeitgeschichte Gelsenkirchen
  2. Alle Angaben in diesem Abschnitt, soweit nicht anders angegeben: Heinrich August Winkler: Weimar 1918–1933. Die Geschichte der ersten deutschen Demokratie. München 1998, 3. durchges. Aufl., S. 131 ff.