Rattenfänger von Hameln

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Stadtführung in Hameln durch den Rattenfänger von Hameln

Der Rattenfänger von Hameln ist eine der bekanntesten deutschen Sagen. Sie wurde in mehr als 30 Sprachen übersetzt. Es wird geschätzt, dass mehr als eine Milliarde Menschen sie kennen. Selbst in fernen Ländern gehört sie häufig zum Schulunterrichtsstoff; besonders in Japan und in den USA ist sie sehr beliebt.

Sage (nach den Brüdern Grimm)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Älteste Rattenfängerdarstellung von 1592 als Schalmeipfeifer; Kopie einer Glasmalerei in der Marktkirche Hameln

Der Sage nach ließ sich im Jahre 1284 zu Hameln ein wunderlicher Mann sehen. Er hatte ein Obergewand aus vielfarbigem, buntem Tuch an und gab sich für einen Rattenfänger aus, indem er versprach, gegen ein gewisses Geld die Stadt von allen Mäusen und Ratten zu befreien. Hameln litt zu dieser Zeit unter einer großen Rattenplage, derer die Stadt selbst nicht Herr wurde, weshalb sie das Angebot des Fremden begrüßte.

Die Bürger sagten ihm seinen Lohn zu, und der Rattenfänger zog seine Pfeife heraus und pfiff eine Melodie. Da kamen die Ratten und Mäuse aus allen Häusern hervorgekrochen und sammelten sich um ihn herum. Als er nun meinte, es sei keine zurückgeblieben, ging er aus der Stadt hinaus in die Weser; der ganze Haufen folgte ihm nach, stürzte ins Wasser und ertrank. Als aber die Bürger sich von ihrer Plage befreit sahen, bereuten sie das Versprechen und sie verweigerten dem Mann den Lohn, sodass er zornig und erbittert wegging.

Am 26. Juni, am Tag der Heiligen Johannes und Paulus, kehrte er jedoch zurück in Gestalt eines Jägers mit schrecklichem Angesicht, einem roten, wunderlichen Hut und ließ, während alle Welt in der Kirche versammelt war, seine Pfeife abermals in den Gassen ertönen. Alsbald kamen diesmal nicht Ratten und Mäuse, sondern Kinder, Knaben und Mägdlein vom vierten Jahre an, in großer Anzahl gelaufen. Diese führte er, immer spielend, zum Ostertore hinaus in einen Berg, wo er mit ihnen verschwand. Nur zwei Kinder kehrten zurück, weil sie sich verspätet hatten; von ihnen war aber das eine blind, sodass es den Ort nicht zeigen konnte, das andere stumm, sodass es nicht erzählen konnte. Ein Knäblein war umgekehrt, um sein Obergewand zu holen, und so dem Unglück entgangen. Einige sagten, die Kinder seien in eine Höhle geführt worden und in Siebenbürgen wieder herausgekommen. Es waren ganze 130 Kinder verschwunden. Man hat sie nie mehr gesehen.[1]

(Gekürzt und sprachlich etwas modernisiert nach: Brüder Grimm: Deutsche Sagen, Nr. 245, Die Kinder zu Hameln)

Abschrift der Hausinschrift am Rattenfängerhaus aus dem 17. Jahrhundert[2] zur Rattenfängersage

Historischer Hintergrund[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Illustration von Kate Greenaway zu Robert Brownings Adaption der Sage
Glockenspiel zur Sage am Hochzeitshaus in Hameln
Rattenfänger-Freilichtspiele neben dem Hochzeitshaus in Hameln
Lithografie von 1902: „Gruss aus Hameln“

Die Entstehung und der eventuelle historische Kern der Rattenfängersage lassen sich nicht mit letzter Sicherheit ermitteln. Als gesichert kann jedoch gelten, dass es sich hierbei um zwei ursprünglich selbständige Sagen handelt, die dann miteinander verbunden wurden: Die ursprüngliche Kinderauszugssage wurde wahrscheinlich erst Ende des 16. Jahrhunderts mit einer Rattenvertreibungssage verknüpft. Dabei ist die Wahrscheinlichkeit, dass beide Sagen(teile) einen historischen Kern aufweisen, unterschiedlich groß. In den mittelalterlichen Ratsbüchern der Stadt Hameln ist zum Beispiel nirgends nachweisbar, dass die Stadt einem Rattenfänger Lohn versprochen oder ausbezahlt hätte. Dass der Teil „Rattenvertreibung“ Legende ist, legen auch wissenschaftliche Untersuchungen nahe zur Frage, ob Ratten auf den Klang einer Flöte reagieren. Dies konnte bei der üblichen Frequenz damals gebräuchlicher Flöten nicht bestätigt werden.[3]

Anders verhält es sich mit dem Sagenteil „Kinderauszug“, wobei unter den vielen Interpretationen die Deutung auf die von Niederdeutschland ausgehende Ostkolonisation die größte Wahrscheinlichkeit für sich beanspruchen kann: Die „Kinder von Hameln“ dürften Hamelner Jungbürger gewesen sein, die von adligen Territorialherren oder Lokatoren zur Siedlung im Osten angeworben wurden.

Die Auswanderungsregion der Hamelner Kinder – zuvor hatte man an Siebenbürgen, Mähren, Pommern oder das Deutschordensland gedacht – wurde von dem Onomastikprofessor Jürgen Udolph 1997 präzisiert: Auswanderer hatten die Angewohnheit, neu gegründete Orte in ihren Zielgebieten nach Orten aus ihrer alten Heimat zu benennen. Im Zuge der mittelalterlichen Ostkolonisation lassen sich Ortsnamen aus der Hamelner Region vor allem im heutigen Bundesland Brandenburg lokalisieren, insbesondere in den Regionen Prignitz und Uckermark. So findet sich beispielsweise der Name des in der Nähe von Hameln gelegenen Ortes Hamelspringe („Ort, wo die Hamel entspringt“) als Hammelspring im Landkreis Uckermark wieder, wo für diese Benennung kein lokaler Anlass erkennbar ist. Ebenso dürfte der Name der Grafschaft Spiegelberg im Weserbergland zur Benennung des Ortes Groß Spiegelberg bei Pasewalk geführt haben.

Dagegen scheiden Siebenbürgen und Mähren entgegen früheren Annahmen als Zielgebiete der Hamelner Auswanderer weitgehend aus, weil es dort keine nachweislich aus dem Wesergebiet stammenden Ortsnamen gibt. Die ältere Literatur verweist hier vor allem auf einen Ortsnamen Hamlíkov in Mähren, doch ist dieser, wie Udolph zeigen konnte, nicht von der Stadt Hameln abgeleitet. Unabhängig von den Ortsnamen fanden der Troppauer Stadtarchivar Wolfgang Wann und der Hamelner Heimatforscher Heinrich Spanuth heraus, dass im nordmährischen Olmütz in der damaligen Zeit dieselben Familiennamen wie im Hamelner Bürgerregister verzeichnet sind (so zum Beispiel Hamel, Hämler, Hamlinus, Leist, Fargel, Ketteler und andere), was womöglich kein Zufall ist.[4][5]

Insgesamt aber machen die namenskundlichen Belege für die Regionen Prignitz und Uckermark sowie der überlieferte Zeitpunkt des Kinderauszugs – das 13. Jahrhundert war die Blütezeit der deutschen Ostkolonisation – die Auswanderungstheorie sehr wahrscheinlich: Der Rattenfänger mag in Wirklichkeit ein Werber für deutsche Siedler im Osten gewesen sein, und die Legende (Rattenfänger-Sage) will nur den Verlust fast einer ganzen Generation, die wegen Perspektivlosigkeit ihre Heimat verlassen hat, lyrisch umschreiben bzw. als Racheakt eines Geprellten deuten. Vielleicht wollte man sich auch nicht die Blöße geben, dass eine gesamte Generation auswanderte, weil sie in dem damaligen Zunftwesen keine Zukunft sah und lieber gen Osten zog mit der Aussicht, dort einen eigenen Hausstand oder Betrieb aufzubauen.

Mehrere Historiker nehmen an, die Sage vom Rattenfänger von Hameln solle vom Kinderkreuzzug inspiriert worden sein. Gegen diese Ansicht spricht jedoch unter anderem, dass der Kinderkreuzzug 1212 stattgefunden hat; das glaubwürdig überlieferte Auswanderungsjahr der Hamelner Kinder ist jedoch 1284. Dasselbe Argument ist auch gegen die Deutung der Rattenfängersage als Pesterzählung geltend zu machen, da Pestepidemien im mittelalterlichen Europa erst seit 1347 auftraten.

Eine andere, weniger stark vertretene Theorie besagt, dass die Hamelner Kinder einem heidnischen Sektenführer aufgesessen sein könnten, der diese zu einem religiösen Ritus in die Wälder bei Coppenbrügge geführt hat, wo sie heidnische Tänze aufführten. Dabei habe es einen Bergrutsch oder Erdfall gegeben, wodurch die meisten umgekommen seien. Noch heute lässt sich dort eine große Kuhle finden, die durch ein solches Ereignis entstanden sein könnte.[6]

Rattenfänger von Hameln von Heinrich Wefing

Verbreitung und Popularisierung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Sage bei Jobus Fincelius
Sage bei Jobus Fincelius
Rattenfängerdarstellung am Tag der Niedersachsen 2009 in Hameln
Ein „Rattenfängerlied“ auf einem Gutschein der Münster-Café-Diele in Hameln, 1921

Die älteste, in lateinischer Prosa verfasste Beschreibung des Kinderauszugs von Hameln steht in einem um 1430/50 entstandenen Nachtrag zur Lüneburger Handschrift Theol. 2° 25[7] der Catena aurea des Mindener Dominikanermönchs Heinrich von Herford († 1370).[8] Die erste gedruckte Erwähnung der Sage findet sich 1556 bei Jobus Fincelius.[9] Sie wird im 16. Jahrhundert auch von Kasper Goltwurm,[10] Froben Christoph von Zimmern,[11] Johann Weyer,[12] Andreas Hondorff,[13] Lucas Lossius,[14] Andreas Werner,[15] Heinrich Bünting,[16] Hannibal Nullejus[17] und Georg Rollenhagen[18] geschildert. Der Hamelner Bürgermeister Friedrich Poppendieck stiftete 1572 ein Glasfenster für die Marktkirche mit einer Darstellung des Pfeiffers,[19] das in einer Abzeichnung von 1592 erhalten ist.[20]

Die Sage wurde im 17. Jahrhundert durch den Jesuiten Athanasius Kircher aufgegriffen und bekannt gemacht. Er war eigens nach Hameln gefahren, um sich historisch kundig zu machen. „Kircher hatte einen hohen Anteil an der Popularisierung. Seine Beschreibung des ‚Wunders‘ wurde oft zitiert, immer wieder neu aufgelegt, nacherzählt und übertragen.“ (Gesa Snell, Leiterin des Museums Hameln) „Kircher hat die Diskussion über Hameln eröffnet und damit die Voraussetzung für die spätere Popularisierung geschaffen.“ (Der Kircher-Forscher Christoph Daxelmüller)[21] Von den Pfeifenklängen des Rattenfängers und dessen magischer Wirkung handelt auch Kirchers Musikwerk 'Musurgia universalis' von 1650.[22]

Der Geograph und Universalgelehrte Johann Gottfried Gregorii verbreitete die Sage zu Beginn des 18. Jahrhunderts in seinen populären Geographiebüchern im deutschsprachigen Raum.[23] Dessen Sagenüberlieferungen waren Achim von Arnim, dessen Freund Jacob Grimm und Johann Wolfgang von Goethe noch ein Jahrhundert später bestens bekannt, als diese ihre Texte zur Rattenfängersage niedergeschrieben haben.

Immaterielles Kulturerbe[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im November 2013 bewarb sich die Stadt Hameln über das Niedersächsische Ministerium für Wissenschaft und Kultur um die Aufnahme des Brauchtums um die Rattenfängersage in das Bundesweite Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes. Die Aufnahme im Sinne des Übereinkommens zur Erhaltung des Immateriellen Kulturerbes der UNESCO erfolgte im Dezember 2014.[24][25] Die Deutsche UNESCO-Kommission begründete die Auswahl unter anderem damit, dass die Ursprungsgeschichte bis heute in ständig neuen Variationen behandelt werde. Die Bandbreite der kulturellen Reflexion des Stoffes auch in Medien wie Comic, Dichtung und Musik halte die Geschichte des Rattenfängers von Hameln lebendig.[26] Zum immateriellen Kulturerbe zählt ebenso der Rattenfänger-Literaturpreis, den die Stadt seit 1984 für phantastische Kinder- und Jugendliteratur vergibt.

Ähnliche Sagen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Auch aus anderen deutschen Regionen und europäischen Ländern gibt es mit Rattenplagen zusammenhängende Rattenfänger- oder Rattenbanner-Sagen, so zum Beispiel aus Drancy-les-Nouës bei Paris in Frankreich, daneben auch mit Froschplagen (siehe Flößer von Thorn). Meistens verbinden sich diese Geschichten jedoch nicht damit, dass der Rattenfänger anschließend aus Rache noch weitere Ortsbewohner wegführte; eine Ausnahme machen die beiden nachfolgend genannten Geschichten.

Rattenfänger von Korneuburg[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im niederösterreichischen Korneuburg soll im Jahr 1646 ein Rattenfänger aufgetreten sein. Nach Ertränkung der Ratten in einem Donauarm warf man ihm jedoch vor, mit dem Teufel im Bunde zu stehen, und verweigerte ihm die Bezahlung. An dieser Stelle enden die ältesten Überlieferungen. Erst später, in Anlehnung an die Hamelner Geschichte, kam die Sage hinzu, dass der Rattenfänger darauf zur Strafe Kinder aus Korneuburg weggeführt und auf dem Sklavenmarkt in Konstantinopel verkauft habe.[27]

Der Katzenveit von Tripstrille[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In der Region um die sächsische Stadt Zwickau soll die Sagengestalt Katzenveit ihr Unwesen getrieben haben. Eine überlieferte Geschichte weist große Parallelen zum Rattenfänger von Hameln auf, wobei jedoch als Strafe für die zahlungsunwilligen Bürger nicht die Kinder, sondern die Katzen aus der Stadt geführt wurden.

Anspielungen in der Popkultur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Aufgrund der oben beschriebenen Beliebtheit gibt es in der Popkultur, wie in Filmen, TV-Serien, Musikstücken oder Videospielen immer wieder Reminiszenzen auf die Sage des Rattenfängers von Hameln:

  • In der 17. Folge der zweiten Staffel (Der Trill-Kandidat) der Serie Star Trek: Deep Space Nine wird die Station von Cardassianischen Mäusen geplagt. Chief O’Brien findet keine Möglichkeit, die Plage mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln einzudämmen. Er erhält von Dr. Bashir eine Flöte mit dem Hinweis „Es funktionierte in Hameln“ zum Geschenk.
  • In Sailor Moon – Reise ins Land der Träume flöten Elfen in der Nacht, die Kinder wachen auf, folgen ihnen und werden mit einem fliegenden Schiff entführt.
  • 1996 wurde der Rattenfänger von Hameln im Musikvideo „Hand In Hand“ des Dance-Projektes Dune parodiert.[28]
  • Das süße Jenseits ist ein zweifach Oscar-nominiertes Filmdrama des kanadischen Regisseurs Atom Egoyan aus dem Jahr 1997. Es basiert auf dem gleichnamigen Roman von Russell Banks. Das Drama variiert das Grundmotiv der Sage des Rattenfängers von Hameln: die Kinder eines Ortes sterben im Gefolge einer Leitfigur, in diesem Falle bei einer Busfahrerin.
  • Im Titellied des Albums Kid A der Band Radiohead wird die Geschichte des Rattenfängers von Hameln metaphorisch entlehnt: "Rats and children follow me out of town; Rats and children follow me out of their homes; Come on, kids".
  • In dem Remake von A Nightmare on Elm Street aus dem Jahr 2010 wird in einer Szene, welche in der Bibliothek in Springwood spielt, auf eine Ähnlichkeit zwischen dem Rattenfänger und Freddy Krueger angespielt. In einem Buch stoßen zwei Jugendliche auf eine Illustration des Rattenfängers, welcher ein Hemd mit denselben rot-grünen Farbstreifen trägt, die auch Freddys Pullover aufweist. Damit soll wohl angedeutet werden, dass Freddy eine moderne (und auch brutalere) Variante von ihm sei, da auch er den Einwohnern von Springwood aus Rache die Kinder „wegnimmt“.
  • In Lie to Me, einer US-amerikanischen Fernsehserie, ist die 19. Episode der zweiten Staffel nach dem Rattenfänger benannt (im Original: „Pied Piper“). In der Folge wird ein Entführer und Mörder von erstgeborenen Kindern gefasst.
  • Auch im Film Für immer Shrek taucht der Rattenfänger auf.
  • In dem Anime Mondaiji-tachi ga Isekai Kara Kuru Sō Desu yo? spielt die Sage über den Rattenfänger eine wichtige Rolle.
  • Im dritten Kapitel des Action-Adventures Heavy Rain erhält der Protagonist Ethan Mars den sogenannten Kirchenbrief vom Origami Killer, in dem auf die Sage des Rattenfängers von Hameln angespielt wird:

„Als die Eltern vom Kirchgang nach Hause kamen, waren alle Kinder verschwunden. Sie suchten und riefen sie, sie weinten und flehten. Doch alles war vergeblich. Die Kinder wurden nie wieder gesehen.“[29]

  • Der deutsche Fernsehthriller Die Toten von Hameln aus dem Jahr 2014 behandelt das mysteriöse Verschwinden von vier Mädchen mitsamt einem Betreuer in der Rothesteinhöhle des Ith, in die laut der Filmhandlung der Rattenfänger die Hamelner Kinder einst geführt haben soll.
  • In der US-amerikanischen Serie Once Upon a Time – Es war einmal … ist der Rattenfänger in Wirklichkeit der Antagonist Peter Pan, der die männlichen Kinder Hamelns entführt und sie zu seinen „Verlorenen Jungs“ macht. Unter ihnen ist auch Rumpelstilzchens Sohn „Baelfire“, der später allerdings fliehen kann.
  • In der US-amerikanischen Mystery-Fernsehserie Sleepy Hollow, Folge 4 der zweiten Staffel, Go Where I Send Thee…, wird auf den Rattenfänger von Hameln Bezug genommen. Auch der „Rattenfänger von Sleepy Hollow“ wurde um seine Bezahlung betrogen und entführt deshalb jeweils ein Kind der betreffenden Familie, wenn es zehn Jahre alt wird.
  • In der US-amerikanischen Fernsehserie Silicon Valley heißt das Start-Up-Unternehmen, dessen Geschichte erzählt wird, „Pied Piper“.
  • In der Audible Krimi-Hörspielserie „Der Rattenfänger“ verschwinden in einer fiktiven deutschen Kleinstadt innerhalb kürzester Zeit mehrere Kinder. Die leitende Kommissarin (gesprochen von Nina Hoss) vermutet dahinter eine Nachahmung der Rattenfänger-Sage.[30]
  • Im Lied Nachbeben des Künstlers Alligatoah nimmt das lyrische Ich Bezug auf den Rattenfänger, indem es Menschen im Schlaf entführt. Ein Hinweis darauf gibt das Orange Band am Hut des lyrischen Ichs.
  • Intisar Khananis Fantasy-Roman A Darkness at the Door enthält zuletzt eine Anspielung auf die Sage, indem der Bösewicht in eine Flöte verwandelt wird.[31]
  • In dem Indie-Horrorspiel Amanda the Adventurer schaut der Spieler sich VHS-Kassetten einer fiktiven Kindersendung an. In dieser sind aus der Stadt, in der sie spielt, alle Kinder bis auf die Protagonistin Amanda verschwunden; die Firma, die die Sendung produziert hat, heißt Hamelin (engl. Hameln) und nutzt als Logo eine Ratte.

Metaphorischer Gebrauch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Bild vom Rattenfänger als faszinierende verführerische Gestalt fand seit dem 19. Jahrhundert eine vielfältige publizistische Rezeption. Friedrich Nietzsche zitierte diesen in Hinblick auf Dionysos.[32] Den Komponisten Johann Strauss (Sohn) stilisierte man satirisch-literarisch[33] wie auch karikaturistisch[34] zur – musikalischen – Rattenfängergestalt. Der Schriftsteller Richard Skowronnek (1862–1932) sah wiederum in Karl May den „großen Rattenfänger“.[35] Polemisch verschärft wurde das Bild des Rattenfängers in Publikationen des 20. Jahrhunderts. Im Nazijargon wurde der US-Jazzmusiker Benny Goodman zum „Rattenfänger von Neuyork“[36], andererseits sieht der kommunistische Schriftsteller Erich Weinert die Urheber dieser Bezeichnung selbst als „braune Rattenfänger“[37]. Und so wird mittlerweile der Begriff Rattenfänger umgangssprachlich auf Mitglieder sehr verschiedenartiger politisch extremer Gruppen oder Parteien gemünzt.[38] Auch prominenten Individuen wird die Bezeichnung nach wie vor zuteil, wie jüngst z. B. als kritischer Seitenhieb für den linken griechischen Politiker Alexis Tsipras als „Rattenfänger von Athen“ hinsichtlich seiner umstrittenen Europapolitik.[39]

Philatelistisches[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Mit dem Erstausgabetag 3. Dezember 2020 gab die Deutsche Post AG in der Serie Sagenhaftes Deutschland ein Postwertzeichen im Nennwert von 95 Eurocent mit dem Motiv des Rattenfängers von Hameln heraus. Der Entwurf stammt von den Grafikern Thomas Steinacker und Jan-Niklas Kröger aus Bonn.

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Motive der Rattenfängersage in: Clemens Brentano: Das Märchen vom Rhein und vom Müller Radlauf. Hrsg. von Guido Görres 1846.

  • Achim von Arnim: Der Rattenfänger von Hameln. Mein allererstes Märchenbuch. Karl Müller, Köln 2004. ISBN 3-89893-910-3.
  • Marco Bergmann: Dunkler Pfeifer. Die bisher ungeschriebene Lebensgeschichte des „Rattenfängers von Hameln“. BoD, 2. Auflage 2009, ISBN 978-3-8391-0104-9.
  • Hans Dobbertin: Quellensammlung zur Hamelner Rattenfängersage. Schwartz, Göttingen 1970.
  • Hans Dobbertin: Quellenaussagen zur Rattenfängersage. Niemeyer, Hameln 1996 (erw. Neuaufl.) ISBN 3-8271-9020-7 (Dobbertin verbindet den Verlust die Hamelner Kinder mit dem Treck des Grafen Nicolaus von Spiegelberg nach Pommern und ins Baltikum nach Kopań bei Darłowo, dt. Rügenwalde).
  • Stanisław Dubiski: Ile prawdy w tej legendzie? (Wieviel Wahrheit birgt diese Sage?) In: „Wiedza i Życie“, Nr. 6/1999.
  • Radu Florescu: In Search of the Pied Piper. Athena Press 2005, ISBN 1-84401-339-1.
  • Norbert Humburg: Der Rattenfänger von Hameln. Die berühmte Sagengestalt in Geschichte und Literatur, Malerei und Musik, auf der Bühne und im Film. Niemeyer, Hameln 2. Aufl. 1990, ISBN 3-87585-122-6.
  • Peter Stephan Jungk: Der Rattenfänger von Hameln. Recherchen und Gedanken zu einem sagenhaften Mythos. In: Neue Rundschau Nr. 105 (1994), H. 2, S. 67–73.
  • Ullrich Junker: Rübezahl – Sage und Wirklichkeit. In: Unser Harz. Zeitschrift für Heimatgeschichte, Brauchtum und Natur. Goslar, Dezember 2000, S. 225–228.
  • Wolfgang Mieder: Der Rattenfänger von Hameln. Die Sage in Literatur, Medien und Karikatur. Praesens, Wien 2002, ISBN 3-7069-0175-7.
  • Fanny Rostek-Lühmann: Der Kinderfänger von Hameln. Untersagte Wünsche und die Funktion des Fremden. Reimer, Berlin 1995, ISBN 978-3-496-02567-2.
  • Heinrich Spanuth: Der Rattenfänger von Hameln. Niemeyer, Hameln 1951.
  • Izabela Taraszczuk: Die Rattenfängersage. Zur Deutung und Rezeption der Geschichte. In: Robert Buczek, Carsten Gansel, Paweł Zimniak (Hrsg.) Germanistyka 3. Texte in Kontexten. Zielona Góra: Oficyna Wydawnicza Uniwersytetu Zielonogórskiego 2004, S. 261–273, ISBN 83-89712-29-6.
  • Jürgen Udolph: Zogen die Hamelner Aussiedler nach Mähren? Die Rattenfängersage aus namenkundlicher Sicht. In: Niedersächsisches Jahrbuch für Landesgeschichte 69 (1997), S. 125–183. ISSN 0078-0561 (online)
  • Wolfgang Wann: Die Lösung der Hamelner Rattenfängersage - Ein Symbol des Abendlandes. Dissertation, Würzburg 1949
  • Wolfgang Wann: Der Rattenfänger von Hameln. München 1984

Belletristik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Julius Wolff: Der Rattenfänger von Hameln

Die Motive der Sage wurden auch in der Fantasy-Literatur aufgegriffen, unter anderem in:

Comic-Adaption des Rattenfänger-Stoffs:

  • André Houot: Hamelin. Editions Glénat 2012. (Dt. Übersetzung: Der Rattenfänger von Hameln. Aus dem Französischen von Rossi Schreiber. Ehapa Comic Collection 2012).

Dichtung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Musik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Filmografie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • 1907: The Pied Piper of Hamelin, Regie: Percy Stow
  • 1918: Der Rattenfänger von Hameln, Regie: Paul Wegener
  • 1933: Der Rattenfänger von Hameln, Regie: Wilfred Jackson; Zeichentrickfilm
  • 1957: Der Rattenfänger von Hameln, Regie: Bretaigne Windust; Fernsehfilm mit Van Johnson und Claude Rains
  • 1972: Der Rattenfänger von Hameln, Regie: Jacques Demy; Musical mit Donovan und Diana Dors
  • 1982: Der Rattenfänger von Hameln, Regie: Mark Hall; Animationsfilm
  • 1984: Der Rattenfänger von Hameln, Regie: Jiří Barta; Animationsfilm, Tschechoslowakei
  • 1997: Das süße Jenseits, Regie: Atom Egoyan; (Das Spielfilmdrama übernimmt das Grundmotiv der Sage als Plot für seine Geschichte)
  • »Bilderbuch Deutschland« – Hameln. Buch und Regie v. Anne Worst. Produktion NDR. Erstausstrahlung am 13. Juni 2004, 45 Min. [1]
  • Märchen & Sagen: Der Rattenfänger und die verschwundenen Kinder. Dokumentation. Produktion ZDF. Erstausstrahlung am 16. Oktober 2005. 45 Min. [2]
  • Der Rattenfänger von Hameln – Die wahre Geschichte aus der Reihe ›Die wahre Geschichte‹, GB 2005, Discovery Channel
  • Die Toten von Hameln, Fernsehfilm des ZDF, in dem die Sage des Rattenfängers eine Rolle spielt, 2014[40]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Rattenfänger von Hameln – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wikisource: Rattenfänger von Hameln – Quellen und Volltexte

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Die wohl weltweit bekannteste Version. Stadt Hameln, abgerufen am 29. Dezember 2017.
  2. http://www.inschriften.net/hameln/inschrift/nr/di028-0107.html
  3. Quelle: PHOENIX Dokumentation 2009 „Der Rattenfänger und die verschwundenen Kinder“
  4. Richter, Rudolf: Der Rattenfänger von Hameln. In: Jahrbuch der Heimat. 1953. Für die Bewohner des ehemaligen Heimatkreises Bärn. St. Ottilien. S. 125
  5. Wann, Wolfgang: Die Lösung der Hamelner Rattenfängersage - Ein Symbol des Abendlandes. Dissertation Universität Würzburg 1949
  6. Gernot Hüsam: Der Koppen-Berg der Rattenfängersage von Hameln. Herausgeber: Museumsverein Coppenbrügge e.V. 1990
  7. HAB – Handschriftendatenbank – Handschrift lg-rb-theol-2f-25. Abgerufen am 15. April 2023.
  8. Heinrich Spanuth: Der Rattenfänger von Hameln. Vom Werden und Sinn einer alten Sage. (diss. phil.). C. W. Niemeyer, Hameln 1951.
  9. Jobus Fincelius: Warhafftige beschreibung und gründlich verzeichnus schrecklicher Wunderzeichen und Geschichten, die von dem Jar an MDXVII. bis auff itziges Jar MDLVI. geschehen und ergangen sind nach der Jarzal. Christian Rödiger, Jena 1556, unpaginiert (Digitalisat der Bayerischen Staatsbibliothek München).
  10. Kasper Goltwurm: Wunderwerck und Wunderzeichen Buch. Zephelius, Frankfurt am Main 1557, unpaginiert (Digitalisat der Bayerischen Staatsbibliothek München), (Google-Books).
  11. Froben Christoph von Zimmern: Zimmerische Chronik (1565), hrsg. von Karl August Barack, Bd. III. J. C. B. Mohr / Paul Siebeck, Tübingen 1881, S. 198–200 (Digitalisat der Universitätsbibliothek Freiburg).
  12. Johann Weyer: De praestigiis Daemonum. Johannes Oporinus, Basel 1566, S. 84f (Digitalisat der Bayerischen Staatsbibliothek München), deutsche Ausgabe Von Teufelsgespenst, Zauberern und Gifftbereytern, Schwarzkünstlern, Hexen und Unholden. Frankfurt am Main 1586, S. 43 (Google-Books).
  13. Andreas Hondorff: Promptuarium exemplorum. Leipzig 1568, Bl. 169 (Digitalisat der Bayerischen Staatsbibliothek München).
  14. Lucas Lossius: Hameliae in ripis jacet urbs celebrata Visurgis. In: ders. (Hrsg.): Fabulae Aesopi. Egenolph, Marburg 1571, Nr. 506, S. 309f (Google-Books); vgl. Lucas Lossius: Ecclesiasticae historicae et dicta imprimis memorabilia, et item narrationes aliquot et epigrammata. Frankfurt 1571, S. 264f.
  15. Andreas Werner: Chronica des Hochlöblichsten Keyserfreyen Ertz und Primat Stiffts Madeburg. Paul Donat, Magdeburg 1584, S. 136 (Google-Books).
  16. Heinrich Bünting: Braunschweigische und Lüneburgische Chronica, Bd. II. Kirchner, Magdeburg 1585, Bl. 52 (Google-Books).
  17. Hannibal Nullejus: Epigrammata liber I. Konrad Grothe, Lemgo 1589.
  18. Georg Rollenhagen: Froschmeuseler. Andreas Gehn, Magdeburg 1595, unpaginiert (Google-Books).
  19. Poppendieck ließ ein bereits vorhandenes Fenster erneuern („renouiren“); Heinrich Kornmann (1570–1627): Mons Veneris, Fraw Veneris Berg. Matthias Becker Witwe, Frankfurt am Main 1614, S. 383–389, bes. S. 384 (Google-Books).
  20. Christine Wulf: Hameln, Nr. 76†, St. Nicolai 1572. In: Die Inschriften der Stadt Hameln. (Die Deutschen Inschriften 28). Reichert, Wiesbaden 1989 (Digitalisat bei www.inschriften.net).
  21. Eckart Roloff: Athanasius Kircher (1602-1680): Der Phantast aus der Rhön macht Karriere in Rom. In: Eckart Roloff: Göttliche Geistesblitze. Pfarrer und Priester als Erfinder und Entdecker. Weinheim: Wiley VCH 2012. S. 129–130. ISBN 978-3-527-32578-8
  22. Sebastian Posse: Der emotionale Charakter einer musikalischen Verführung durch den Rattenfänger von Hameln. Eine quellenhistorische Analyse. Studienarbeit.
  23. MELISSANTES: Curieuse OROGRAPHIA Frankfurt, Leipzig [und Erfurt] 1715; S. 540–548, Bayerische Staatsbibliothek München
  24. Pressemitteilung des Niedersächsischen Ministeriums für Wissenschaft und Kultur: Brauchtum um die Rattenfängersage und Niederdeutsches Theater gehören zum immateriellen Kulturerbe
  25. 27 Kulturformen ins deutsche Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes aufgenommen
  26. „Dt. UNESCO-Kommission - Auseinandersetzung mit der Geschichte des Rattenfängers von Hameln“, abgerufen am 16. Januar 2015
  27. Humburg, Norbert: Der Rattenfänger von Hameln, S. 23.
  28. KillianSSL: DUNE - Hand In Hand auf YouTube, 21. November 2013, abgerufen am 25. Februar 2024 (Laufzeit: 3:33 min).
  29. Heavy Rain (2010), Videospiel, Quantic Dream, Kapitel 3 "Vater und Sohn", Zitat des Protagonisten Ethan Mars
  30. "Der Rattenfänger" - Hörspiel. Audible, 1. März 2022, abgerufen am 1. März 2022.
  31. Intisar Khanani: A Darkness at the Door. Hot Key Books, London 2022, ISBN 978-1-4714-1131-1.
  32. Dionysos und Ariadne im Gespräch: G. Schank, Subjektauflösung und Mehrstimmigkeit in Nietzsches Philosophie, Tijdschrift voor Filosofie, 53ste Jaarg., Nr. 3 (September 1991), pp. 489-519
  33. Josef Mauthner, VI. Rettung, in 48er Sonnette
  34. Karl Klietsch, 12. Februar 1871, Beilage zu Nr. 7: „An der Wien am 10. Februar 1871“. [Strauß die Geige spielend, als Rattenfänger, dem, die Geistinger an der Spitze, daß ganze Personale des „Indigo“ folgt]
  35. Armer Henner, Stuttgart 1908, S. 36.
  36. Illustrierter Beobachter 1944. Folge 28. Bild
  37. Rufe in die Nacht. Gedichte aus der Fremde 1933–1943. 1947, S. 333
  38. Redensarten Index: ein Rattenfänger
  39. Kai Strittmatter: Rattenfänger von Athen flötet in Berlin. In: sueddeutsche.de. 22. Mai 2012, abgerufen am 28. Januar 2024.
  40. ZDF-Presseportal: Die Toten von Hameln